In den Kirchen-Rechnungen der evang.-luth. Gemeinde Halver ist im Jahre 1644 - also noch während des 30-jährigen Krieges - folgende Ausgabe verzeichnet:
"Item auff die halversche Kirmeß oder Kirchweyhung ein Maß Wein ad 10 Schilling und dem Boten 4 Schilling." (*1)
Die Kirmes ist demnach das Fest der Kirchweihe, wie man in Bayern heute noch sagt. Der Wein wurde für das Abendmahl gebraucht, das an diesem Festtage gereicht wurde.
In den Kirchen-Rechnungen, die von 1578 an erhalten sind, wurden nur Einnahmen und Ausgaben verzeichnet. Manchmal enthalten die Eintragungen aber Hinweise, die für Halvers Ortsgeschichte von Bedeutung sind. Die Kirmes, die hier 1644 zum ersten Male erwähnt wird, hat es sicher schon seit langem gegeben. Da sie den großen Krieg überstanden hat, in dem Halver schwer gelitten hat, muss sie wohl fest in der Bevölkerung verwurzelt gewesen sein.
Wahrscheinlich war mit der Kirmes schon immer ein Markt verbunden. Das Wort "Markt" steh erstmalig in der Abrechnung von 1652/53, als ein zwirschen Kirche und dem westlich davon gelegenen Platze stehender Baum gefällt und verkauft wurde:
"Noch für die Eschen auffm Kirchhoffe gegen das Markt, weill man geforchtet, das selbe einsmal durch Sturmwindt umfallen und an der Kirchen Schaden thun möchte, verkauft und ich (der buchführende Kirchmeister) empfangen 1 1/4 Rthler (Reichstaler)"
Es gab damals auch eine Kirmes bei der Kapelle in Edelkirchen. E. Dresbach schreibt, daß dort alljählrich am Himmelfahrtstage ein Markt abgehalten wurde. (*2) Im Jahre 1776 hat der Kirchmeister Paul Schmidt zu Hedfelde "auf Herrn Pastors Geheiß auf der Edelkircher Kirmeß einem armen Mann 15 Stüber" gegeben, die er sich aus der Armenkasse erstatten ließ. (*3)
Erst im Jahre 1739 gibt es wieder eine Erwähnung des Marktes. (*4) Pastor Eckstein schrieb am 01. Juni dieses Jahres folgende Zahlungsanweisung:
"Des Johann Hermann Böckers Sohn, Johann Peter, wovon die Wittwe im Kellerhaus allhier wohnet, ist vorm Jahr vinder (unleserlich) 35 Stüber zu einer Bibel gegeben worden, mit Versprechen, daß man das übrige ihm hernach assignieren wollte. Weil er nun seitdem keine Gelegenheit zu kaufen gehabt, heute aber hier Markt (ist), und Bibeln zu haben sind, als kann der Kirchmeister Joh. Heinrich Eichholtz noch 9 Stüber dazu schicken, so will (ich) solche Bibel besorgen."
E. Dresbach schreibt am Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Chronik, daß man bei Gelegenheit der Kirmes "Sachen für die Haushaltung" kaufen konnte, die es sonst in Halver nicht gab, "z.B. Solinger Messer und Gabeln, zinnerne Kannen, Näpfe, Siebe, Tasse, Hecheln usw." (*5) Ähnlich wird das Angebot auch 1739 und früher gewesen sein.
Nach Dresbach war die Kirmes aber auch ein "Hauptvergnügen für Jung und Alt". Für die Kleinen gab es Spielzeug, Süßigkeiten und Karussellfahrten. Carl Brocksieper aus Erlen, geboren 1809, schreibt in seiner gereimten Lebensgeschichte:
"Im neuen Kleidchen, mädchenhaft geschürzet,
trug mich die Mutter mit, als Jahrmarkt war.
Noch seh im Geist ich Kirmes, Kleidchens Blümchen,
nebst Flötepfeife, die mir schenkt ein Mühmchen."
Die reifere Jugend und die Erwachsenen konnten in den Lokalen des Dorfes tanzen, wie z.B. 1857 bei Justus Schell, der zum Ball am 1. und 2. Kirmestag freundlichst einlud.
Bürgermeister Schmidt stellte am 05. Mai 1817 beim Landes-Direktor in Altena den Antrag, daß der Jahrmarkt in Halver bereits am Sonntag beginnen dürfe. Im Bergischen würden die Jahrmärkte auf einem Sonntag gehalten. Deshalb gingen selbst die Ortsansässigen lieber zu den Jahrmärkten in Wipperfürth, Hückeswagen und vor allem Radevormwald. Das des Sonntags sowieso Tanzlustbarkeiten gestattet seien, so "würde die religiöse Feier desselben durch den Jahrmarkt-Tag eben wenig leiden". Der Antrag wurde abgelehnt, und es blieb während des ganzen 19. Jahrhunderts bei der Kirmes "14 Tage nach Pfingstmontag", am Montag und Dienstag. (*6)
Herr Schmidt hat den Antrag sicher hauptsächlich gestellt, um das Geld in der Gemeinde zu halten. Gerade die Kirmes von 1817 muß ein "voller Erfolg" gewesen sein, jedenfalls, was den Alkoholkonsum betrifft. Ein junger Mann, der im selben Jahr aus dem Bergischen nach Halver gezogen war, schrieb nach der Kirmes an einen Freund:
Die Kirmes war neulich,
- berühmt hier im Land -,
wer Geld hatte, soff sich
um allen Verstand.